Ich muss hier etwas gestehen. Ich habe mein Leben nicht wirklich im Griff. Also nicht alles. Im Job läuft es ganz gut, da hab ich einiges erreicht. Die Kinder laufen auch soweit geradeaus. Gehen brav morgens zur Schule, treiben Sport, haben gut geputzte Zähne, essen manchmal Gemüse – läuft. Aber in einem Punkt, in dem wahrscheinlich wichtigsten für die moderne Mutter, habe ich komplett versagt:
Es ist mir nicht gelungen, meinen After Baby Body so zu formen, dass ich für Männerwelt fickbar bleibe. Und das – wenn ich den Titelseiten der Frauenmagazine Glauben schenke – ist das einzige, worauf es wirklich ankommt.
Klar, die anderen Bereiche müssen auch laufen. Natürlich ist die moderne Milf (für die, die den Begriff nicht kennen: Mum I’d like to fuck) auch karrierebewusst, Hausfrauen in Kittelschürze sind nicht sexy.
Und natürlich sind die Kinder der modernen Mutter auch keine verwahrlosten Gassenkinder, sondern schreiben gute Noten und spielen mindestens ein Instrument. Und die Behausung der Milf nebst Familie muss selbstverständlich auch ansprechend sein, wer kommt schon in erotische Stimmung, wenn er erst die Bügelwäsche vom Bett schubsen muss, bevor er die Milf reinschubsen kann?
Und die Milf selbst zu guter Letzt muss besonders ansprechend sein. Definierter Körper, raffinierte Dessous, epilierte Beine, konturiertes Make-up, immer für alle Fälle gerüstet.
Ihr seht, die Anforderungen sind hoch. Mein Problem: Ich habe das bisher weitestgehend ignoriert, ich dachte, ich könnte mit der Milfication warten, bis meine Kinder etwas größer sind.
Tja, und jetzt komme ich ins Schwitzen. Denn Anfang des Jahres erschien ein Interview mit dem französischen Autoren Yann Moix, das diese Träume zertrümmert hat. Die bittere Erkenntnis: Mir läuft die Zeit davon! Man höre und staune: Frauen ab 50 sind zu alt, um sie zu lieben. Der Körper von Frauen dieses Alters sei einfach nicht mehr außergewöhnlich. Gut, ein bisschen Zeit habe ich noch, aber ich bin immerhin schon 41, das heißt, ich habe nur noch 9 Jahre, um mich für den hässlichen französischen Wurzelgnom begehrenswert zu machen. Und dabei darf ich natürlich auch nicht verbissen oder frustriert wirken, denn der Stern kommentierte dazu, dass Frauen, die sich über die Aussagen von Moix aufregen, nur selbst ein Problem mit dem Älterwerden haben. Und ein Problem mit dem Älterwerden kann ich als angehende Milf natürlich nicht gebrauchen.
Das bringt mit zurück zur Ausgangsfrage, dem Titel meines Textes: Zu Hilf, wie werd ich eine Milf?
Es gilt jetzt also als erstes einiges an Ballast loszuwerden. Die lästigen Schwangerschafts-Pfunde zum Beispiel. Den bequemen Cindy-aus-Marzahn-Gedächtnis-Nicki-Anzug muss ich auch aus meinem Schrank verbannen. Aber zuerst das wichtigste: Die Selbstachtung. Die ist nämlich total im Weg, wenn man das Ziel verfolgt, für die Männer fickbar zu werden und zu bleiben. Nicht, dass ich mich plötzlich über meinen beruflichen Erfolg oder meinen Intellekt definiere, nein nein. Der Fokus liegt ganz klar auf Bauch-Beine-Po.
Zum Glück gibt es soziale Medien und zielgruppenorientierte Werbeanzeigen. Ich wüsste sonst gar nicht, wo ich anfangen soll. Aber seit dem Jahreswechsel werden mir täglich unterschiedliche Sportprogramme zum Abnehmen vorgeschlagen, außerdem bekomme ich seit neuestem auch Anzeigen für andere Körperoptimierungsmaßnahmen angezeigt. Ganz aktuell: Brustwarzen-Permanent-Makeup. Bis gestern wusste noch nicht, dass man bzw. frau das braucht, aber jetzt weiß ich, dass nur ein hübsch konturierter Vorhof die Milf in mir zum Vorschein bringen kann.
Danach steht eventuell eine vaginale Verjüngung an, ich muss das nochmal recherchieren, ob eine Milf, die ja per definitionem eine Mutter ist, eine jungfräulich enge Vagina haben muss oder ob da alles so bleiben darf, wie es ist. Bis auf Behaarung natürlich, die darf nicht bleiben, auch die Milf geht selbstverständlich zum Waxing. Wobei – auch da kann frau es nicht jedem Mann recht machen. Auf Facebook bekommt man ja auch gern schöne clickbaiting-Überschriften angezeigt und es hat funktioniert: Ich klickte auf einen jetzt.de Artikel mit der Überschrift „wenn sie keinen Busch hat, bin ich enttäuscht.“ Das bringt mich in echte Konflikte, denn so oder so enttäusche ich das geneigte Klientel. Lasse ich waxen, bin ich für Patrick, 29, keine richtige Frau, lasse wachsen, hält mich Markus, 36, für ungepflegt.
Der Weg zur Milf ist wirklich steinig, bzw. haarig. Und die Zeit spielt ganz klar gegen mich. Deshalb beende ich jetzt auch diesen Text, ich muss zum Pilates.